Videodoku Hauptverhandlung

Veröffentlicht am 23.01.2023 von Rechtsanwälte Göbel & Partner
Videodoku Hauptverhandlung

Videoaufzeichnung verschiedener strafrechtlicher Hauptverhandlungen in erster Instanz geplant

Die moderne Technik hält – wenn es nach dem Willen des Gesetzgebers geht – maßgeblich Einzug in den Gerichtssaal

In vielerlei Hinsicht sind die technischen Fortschritte der letzten Jahre beziehungsweise Jahrzehnte bereits in der Juristerei und auch in den deutschen Gerichtssälen angekommen. Nun kündigt sich ein weiterer großer Entwicklungsschritt in dieser Richtung an:

Geht es nach dem Willen des Bundesjustizministers, so werden künftig von allen erstinstanzlichen Hauptverhandlungen in Strafverfahren, die vor einem Land- oder Oberlandesgericht stattfinden, vollständige Videodokumentationen angefertigt.

Bereits seit geraumer Zeit in der Diskussion

Die nunmehr geplante Videoaufzeichnung steht nicht erst seit kurzem zur Diskussion. Vielmehr spricht sich eine durchaus beachtliche Gruppe von Anwälten, Richtern und anderen Beteiligten schon seit langem dafür aus, die entsprechenden technischen Möglichkeiten nutzbar zu machen.

Sie argumentieren damit, dass die Videodokumentation um ein Vielfaches genauer als eine handschriftliche Notiz sei, dass – gerade bei lang andauernden Prozessen – eine Rekapitulation für alle Beteiligten deutlich einfacher sei und im Übrigen auch im Ausland schon relevante positive Erfahrungen mit dem Vorgehen bestehen würden.

Selbstredend sind jedoch auch die Kritiker des Vorgehens nicht weit und monieren die erheblichen Kosten, die mit der Erstausstattung der Gerichtssäle einhergehen. Auch Aspekte wie die Vertraulichkeit von bestimmten Verfahren und die möglicherweise entstehende Informationsflut werden als Kritikpunkte herangezogen.

Etwaige Auswirkungen auf die Revision

Interessant sind auch die im Kontext einer sich gegebenenfalls anschließenden Revision auftretenden Fragestellungen. Die Revision sieht vor, dass ausschließlich noch Rechtsfragen, jedoch gerade aber keine Tatsachenfragen mehr zur Klärung kommen.

Liegt nun jedoch eine vollständige Videodokumentation der Hauptverhandlung vor, so wäre es eine Leichtigkeit, mithilfe der Dokumentation auch Tatsachenfragen noch einmal zu erörtern. Hierfür bedürfte es, jedenfalls in einigen Fällen, vermutlich nur eines kurzen Blickes in die Aufzeichnung. Inwiefern entsprechende Überlegungen zum Tragen kommen werde, bleibt aktuell abzuwarten.

Was ist geplant?

Nach dem aktuell vorliegenden Gesetzesentwurf sollen alle erstinstanzlichen strafrechtlichen Hauptverhandlungen, die vor einem Land- oder auch Oberlandesgericht stattfinden, sowohl per Bild als auch per Ton mitgeschnitten werden. Anschließend ist geplant, mit Hilfe einer entsprechenden Software die Tonaufnahmen in ein schriftliches Protokoll zu überführen.

Den Beteiligten des jeweiligen Prozesses (also insbesondere der Staatsanwaltschaft und den Verteidigern) wird dann – so die Idee – direkt nach dem Verhandlungstag eine Zugriffsmöglichkeit auf die Aufnahmen sowie zu dem erstellten Protokoll gewährt.

Wurden Zeugen vernommen, die anonym bleiben sollen, so besteht die Möglichkeit, die entsprechenden Aufnahmen im Nachgang (jedenfalls teilweise) zu verpixeln.

Dem Risiko, dass die Aufzeichnungen nicht mit der erforderlichen Vertraulichkeit behandelt werden, soll dadurch begegnet werden, dass eine nicht zulässige Weitergabe derselben bzw. des Zugangs zu den Aufnahmen unter Strafe gestellt werden soll.

Gibt es besonders hervorzuhebende Pro- oder Contra-Argumente?

Bei der genaueren Betrachtung der Planungen fallen die nachfolgenden Argumente ins Auge, die zeigen, dass das Thema durchaus berechtigt kontrovers diskutiert werden kann:

Pro-Argumente

Eines der am häufigsten vorgebrachten und nicht von der Hand zu weisenden Argumente zielt darauf ab, dass die am Prozess beteiligten Personen sich bei einer Videoaufzeichnung deutlich besser auf das Geschehen an sich konzentrieren können. Da, wo heute noch Mitschriften und das Anfertigen umfangreicher Notizen erforderlich sind, kann in dem geplanten Szenario schlicht auf die – sicherlich auch noch deutlich umfangreichere – Aufzeichnung zurückgegriffen und sich voll und ganz auf die Verhandlung konzentriert werden.

Darüber hinaus lassen sich dank moderner Suchfunktionen die aufgezeichneten Dokumente beziehungsweise die auf dieser Grundlage erstellten Protokolle ohne großen Aufwand und sehr gezielt nach Schlagwörtern durchsuchen oder mit Hilfe von Filterfunktionen eingrenzen.

Schließlich bieten entsprechende Aufzeichnungen die Möglichkeit, bei einem erforderlich werdenden Wechsel beteiligter Personen (beispielsweise des Richters/der Richterin) den neu hinzustoßenden Personen einen umfassenden Überblick über die bisherigen Erkenntnisse und Geschehnisse zu verschaffen, ohne die bereits absolvierten Verhandlungstage zeitaufwändig wiederholen zu müssen.

Contra-Argumente

Gegen die geplanten Videodokumentationen spricht zunächst einmal ganz banal, dass die weit überwiegende Mehrzahl der deutschen Gerichtssäle derzeit nicht mit der erforderlichen Technik ausgestattet sein dürfte. Dies nachzuholen beziehungsweise einzurichten, stellt eine logistische Herausforderung dar und bedarf vermutlich umfangreicher zeitlicher sowie auch finanzieller Ressourcen.

Darüber hinaus könnten die installierten Kameras und die Kenntnis über die Videodokumentation zur Folge haben, dass Zeugen oder auch andere Prozessbeteiligte sich „beobachtet“ fühlen und nicht mehr vollkommen frei aussagen und agieren.

Bedenken bestehen zudem auch hinsichtlich der Vertraulichkeit der Aufzeichnungen. Kritiker bezweifeln, dass die angedachte Strafbarkeit der unzulässigen Weitergabe der Aufzeichnungen beziehungsweise des Zugangs zu den Aufzeichnungen tatsächlich umfassend dafür sorgt, dass die Dokumentation beispielsweise nicht in sozialen Netzwerken gepostet oder anderweitig verbreitet werden.

Wie geht es weiter?

Zunächst einmal muss der Gesetzesentwurf die Hürden des deutschen Gesetzgebungsverfahrens nehmen. Insbesondere der Aspekt der Finanzierung der erforderlichen Ausstattung dürfte dabei zu erheblichen Diskussionen führen.

Aber auch andere Fragen, die sich bei der detaillierten Befassung mit der Vorlage stellen (etwa bezüglich der Fristen zur Aufbewahrung sowie der Löschung der Aufzeichnungen) werden noch einer Klärung zuzuführen sein.

Ungeachtet dessen spricht viel dafür, dass die Videoaufzeichnung der entsprechenden Verhandlungen in der Zukunft Normalität wird. Mutmaßlich etwa ab dem Jahr 2025/2026 ist nach aktuellem Stand der Dinge mit der Dokumentation der ersten Verhandlungen zu rechnen.

Wir als Ihr Partner

Ob nun mit oder ohne Aufzeichnung der Verhandlung stehen wir Ihnen als versierte Strafverteidiger in jedem Verfahren gerne zur Verfügung. Über das gesamte Verfahren begleiten und verteidigen wir sie dank unserer umfassenden und langjährigen Erfahrung kompetent und mit viel Fingerspitzengefühl. Kontaktieren Sie uns jederzeit gerne.

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